Kürzlich hielt ich eine Ausgabe einer kleinen monatlichen Zeitschrift in Händen, in der unter anderem ein Artikel über das Zusammenleben der frühen Gemeinde enthalten war, dessen Lektüre mich dazu anregte, einige der dort nur kurz erwähnten Punkte ein wenig weiter zu erörtern und diese Studie für unsere Gemeindezeitschrift zu schreiben.

Die frühe christliche Gemeinde im 1. Jhdt n.Chr. erlebte zunächst ein großes Wachstum in vielen Belangen, was den persönlichen Lebenswandel der einzelnen Gläubigen anging, was das Leben der Gemeinde insgesamt anging, was die Verbreitung des Evangeliums anging, usw. Das Gemeindeleben war geprägt von großer Vitalität und echter Begeisterung über die Dinge, die Gott durch Christus in ihrem Leben gewirkt hatte und auch weiterhin wirkte. Sie erkannten die große Wahrheit, daß die christliche Gemeinde eine große Familie, ein Leib, ist und ein jeder erfüllte seine Aufgabe als ein Glied des Ganzen, um so einander Handreichung zu tun und zur Erbauung des Leibes, zur Erbauung der Gemeinde, beizutragen.

Die Gläubigen erfreuten sich einer großen Einheit untereinander, da sie auch mit großer Hingabe füreinander da waren und einander Handreichung taten, wie es dem Maß eines jeden Gliedes an diesem Leib möglich war. Dies ermöglichte ihnen, daß alle gemeinsam und einmütig Gott in großem Maße loben und ihm Ehre erweisen konnten.

Leider hielt diese Situation nicht an, und wir lernen aus den späten Schriften des Apostels Paulus (den Briefen an Timotheus), daß bereits zu jener Zeit, also nur einige Jahrzehnte nach Beginn der christlichen Gemeinde zu Pfingsten, sich manches zum Schlechten verändert hatte. Statt der zuerst gesehenen Einheit und Einmütigkeit unter den Gläubigen machten sich nun Eifersucht, Hader, Neid und Streit breit und verursachten dann Spaltungen in der Gemeinde. Man richtete einander, kritisierte und stritt untereinander, und man „ersetzte“ die zuvor vorhandene liebevolle Fürsorge füreinander und das Bestreben um Einmütigkeit und beieinander zu sein. Die Gemeinde verfiel immer mehr darein, sich „untereinander zu beißen und zu fressen”, was zu dem führte, was Paulus bereits in Gal 5,15 erwähnte – „einer wurde von dem andern aufgefressen“.

Was nur wenige Jahre zuvor eine kraftvolle und dynamische Gemeinde gewesen war, deren ganzes Bestreben auf Gott und Gottes Wort gerichtet war, wurde schnell zu einer leblosen und kraftlosen „christlichen Religion“.

Das war sicher nicht das Resultat göttlichen Denkens aufseiten der Gläubigen, sondern vielmehr das Resultat des Einflußes des Widersachers, dem es gelang, mittels der Werke des Fleisches, wie Neid, Hader, Streit usw. Spaltungen in der Gemeinde hervorzurufen, um so das Erreichen des eigentlichen großen Ziels der Gemeinde zu verhindern: das gemeinsame Loben Gottes!

Der rechte Zustand der frühen Gemeinde kommt immer wieder in der Apostelgeschichte in den Stellen zum Ausdruck, wo der Begriff “beieinander sein” bzw. “einmütig sein” vorkommt. Bei dem Begriff, den wir in dieser Studie ein wenig näher betrachten wollen, handelt es sich um die Übersetzung des griechischen Wortes homothumadon. Dieses Wort setzt sich zusammen aus homo und thumos; die zwei Wörter bedeuten „gleich“ und „Wille, Wunsch, Drang, Trieb, Begierde, Gemüt, Gesinnung, Leidenschaft, Seele, Mut, u.a.“ Es bezeichnet also einen Zustand von „gleicher Gesinnung, gleichen Willens, gleichen Wunsches, gleichen Verlangens, usw.“ Es kommt insgesamt 12 mal im NT vor, 11 mal in der Apostelgeschichte und einmal im Römerbrief.

In gewisser Weise könnte man dies vergleichen mit einem Orchester, welches unter der Leitung seines Dirigenten eine große Symphonie spielt, bei der die unterschiedlichen Instrumente zwar unterschiedliche Töne von sich geben, aber dennoch alle gemeinsam das gleiche Musikstück, die gleiche Symphonie spielen. Auf die Gemeinde übertragen, könnte man davon reden, wie unter der Anleitung Gottes mittels seines Wortes und des heiligen Geistes jedes Glied der Gemeinde zu einem großen Ganzen zusammenwirkt, das insgesamt zum Lob und zur Ehre Gottes dienen soll.

Dies ist also eigentlich das genaue Gegenteil von Spaltung und Streitsucht und Neid und Hader und Eifersucht. Alle tragen bei zum Wohl des Ganzen, keiner ist nur auf sich bedacht, sondern hat acht auf die anderen Glieder.

Nun wollen wir zunächst die Stellen in der Apostelgeschichte etwas genauer ansehen.

Apostelgeschichte 1,14:
Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.

Hier ist die Rede von den Jüngern in den Tagen zwischen der Himmelfahrt und Pfingsten. Sie waren beieinander einmütig im Gebet, und dabei waren auch die Frauen nicht ausgeschlossen. Alle harrten der Erfüllung der Worte Jesu, die dieser kurz vorher über das Kommen des heiligen Geistes gesagt hatte.

Apostelgeschichte 2,1:
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.

Hier lesen wir von den 11 Aposteln und Matthias, der ihnen zugeordnet worden war; sie alle waren zu Pfingsten an einem Ort beieinander, im Tempel zu Jerusalem. Sie gingen nicht einfach verschiedene Wege, jeder machte seinen Kram, so wie es ihm paßte – nein, sie hatten sich alle einer anderen Sache untergeordnet und waren an jenem Morgen alle an einem Ort versammelt. Alle empfingen dann auch an jenem Tag als erste die Gabe heiligen Geistes, die zu Pfingsten ausgegossen wurde.

Apostelgeschichte 2,46 und 47:
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen
und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. …

Diese Verse beschreiben uns in einer Art Zusammenfassung, was sich in den Tagen nach Pfingsten in der neu entstandenen Gemeinde ereignete. Die Gläubigen waren täglich einmütig beieinander – täglich! Man traf sich zu unterschiedlichen Anlässen, etwa im Tempel oder bei gemeinsamen Mahlzeiten. Eine große und bedeutsame Sache bei solchem „beieinander sein“, über die in besonderem Maße wohl Einmütigkeit bestand, wird hier nun erwähnt: Sie lobten Gott!

Apostelgeschichte 4,24:
Als sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht,

Petrus und Johannes waren aus dem Gefängnis wieder freigekommen und berichteten den versammelten Gläubigen, was diese dazu veranlaßte, ihre Stimmen einmütig im Gebet zu Gott zu erheben. Aller Verlangen, aller Wunsch, aller Begehren in dieser Angelegenheit war gleich, und es hatte nicht so sehr mit ihnen selbst und ihren Bedürfnissen zu tun. Ihr Augenmerk richtete sich auf Gott und darauf, wie er nun in ihrem Leben und in ihrer Situation wirken würde. Ja, unterschiedliche Menschen beteten, aber sie alle waren einmütig bzgl. dessen, wofür sie beteten. Sie gaben Gott die Ehre und erhoben ihre Stimme gemeinsam zu ihm, um seinen Segen zu erbitten und ihn gemeinsam um Freimut zu ersuchen, damit sie dann auch einmütig weiterhin das Wort Gottes reden würden.

Apostelgeschichte 5,12:
Es geschahen aber viele Zeichen und Wunder im Volk durch die Hände der Apostel; und sie waren alle in der Halle Salomos einmütig beieinander.

Hier erkennen wir erneut, wie die frühe Gemeinde sich offenbar regelmäßig versammelte und sich traf. Alle wohnten natürlich auch mehr oder minder am gleichen Ort, in der Stadt Jerusalem, was durchaus erleichterte, täglich beieinander zu sein. Dennoch stellt sich das gemeinsame Treffen nicht einfach von alleine ein, sondern die Gläubigen planten entsprechend, weil sie in ihrem Herzen eben großes Gewicht darauf legten.

Apostelgeschichte 7,57:
Sie schrien aber laut und hielten sich ihre Ohren zu und stürmten einmütig auf ihn ein,

Dieser Vers nun hat allerdings nichts direkt mit den Gläubigen der Gemeinde zu tun, hier kommt vielmehr der Begriff “einmütig” in einem gänzlich anderen Kontext vor.

Die Juden, denen die Rede des Stephanus überhaupt nicht gefallen hatte, waren hier einer Meinung und handelten “einmütig”, als sie auf ihn einstürmten und ihn schließlich steinigten. Hier kommt auch zum Ausdruck, welch eine Leidenschaft, eine Wut, ein emotianler Einfluß gemeint ist, wenn dieses Wort benutzt wird. Die Juden hier stimmten nicht nur trocken und unbeteiligt jeweils einer dem andern zu, sondern sie handelten aus innerster Überzeugung und waren mit all ihrem Wesen beteiligt.

Apostelgeschichte 8,6:
Und das Volk neigte einmütig dem zu, was Philippus sagte, als sie ihm zuhörten und die Zeichen sahen, die er tat.

Philippus predigte in Samaria das Wort Gottes, und er wirkte einige Zeichen in der Folge. Das Volk nun blieb nicht unbeteiligt, sondern eine erstaunliche Reaktion wird uns berichtet: Sie neigten sich dem, was sie hörten und sahen, einmütig zu! Alle waren angetan von dem, was sich vor ihren Augen und Ohren zutrug, sie waren alle davon in gleicher Weise berührt und alle engagierten sich, indem sie sich der Sache zuwandten, sich einmütig dem zuneigten, was Philippus ihnen predigte.

Apostelgeschichte 12,20:
Er war aber zornig auf die Einwohner von Tyrus und Sidon. Sie aber kamen einmütig zu ihm und überredeten Blastus, den Kämmerer des Königs, und baten um Frieden, weil ihr Land seine Nahrung aus dem Land des Königs bekam.

Auch dieser Vers handelt nicht von den Gläubigen der Gemeinde, sondern von einer anderen Gruppe von Menschen. König Herodes war nicht gut auf die Einwohner von Tyrus und Sidon zu sprechen, und um größeres Unheil abzuwenden, taten sich die Einwohner zusammen und kamen einmütig zu ihm. Auch hier ist ersichtlich, daß dieses “einmütig sein” sicher mehr bedeutet als nur einer Meinung bzgl. einer Sache sein. Daß sie einer Meinung waren, kam dann in gemeinsamer Handlung zum Ausdruck, denn sie gingen einmütig zum König, um gemeinsam ihr Anliegen vorzubringen.

Apostelgeschichte 15,24 und 25:
Weil wir gehört haben, daß einige von den Unsern, denen wir doch nichts befohlen hatten, euch mit Lehren irre gemacht und eure Seelen verwirrt haben,
so haben wir, einmütig versammelt, beschlossen, Männer auszuwählen und zu euch zu senden, mit unsern geliebten Brüdern Barnabas und Paulus,

Hier lesen wir über die Versammlung der Ältesten und Apostel zu Jerusalem, als eine Kontroverse hinsichtlich der Einhaltung einiger Gesetzesvorschriften durch die Heiden entstanden war. Nachdem man engagiert die Angelegenheit erörtert hatte, wurde schließlich eine Einigung erzielt und ein gemeinsames Schreiben aufgesetzt, welches dann den betroffenen Gemeinden übergeben werden sollte. In diesem Schreiben bekunden die Anwesenden, sie seien „einmütig versammelt“, was uns aufzeigt, daß sie nun nach eingehender Diskussion dennoch gemeinsam zu der Entscheidung gekommen waren und diese auch gemeinsam trugen.

Apostelgeschichte 18,12:
Als aber Gallio Statthalter in Achaja war, empörten sich die Juden einmütig gegen Paulus und führten ihn vor den Richterstuhl

Ein weiterer Vers, in dem das „einmütig“ sich nicht auf die Gemeinde bezieht, sondern auf die, welche ihr eher feindlich gegenüber standen. Die Juden in Achaja taten sich zusammen und traten einmütig vor den Statthalter, um auf diese Weise noch mehr auf ihn einwirken zu können und ihr gemeinsames Ziel, die Verhaftung und Verurteilung des Paulus, zu erreichen. Gemeinsam versprachen sie sich sicherlich mehr, als wenn nur ein einzelner für sich vorstellig geworden wäre.

Apostelgeschichte 19,29:
Und die ganze Stadt wurde voll Getümmel; sie stürmten einmütig zum Theater und ergriffen Gajus und Aristarch aus Mazedonien, die Gefährten des Paulus.

Auch die letzte Stelle in der Apostelgeschichte handelt von denen, die etwas gegen die Gemeinde erwirken wollten. Hier ist es ein „Getümmel“, eine Menschenmenge, die einmütig agiert. Ihr Vorgehen stellte eine ernste Gefahr für Paulus und insbesondere für seine Gefährten da. Die Leute gingen nicht nur einfach so unbeteiligt durch die Straßen und hörten mal so am Rande mit, was ein paar Gesellen da redeten – nein; sie waren aufgewühlt, waren innerlich beteiligt und engagiert, und sie stürmten einmütig dorthin, wo sich das ersehnte Schauspiel ereignen sollte.

Die verschiedenen Stellen aus der Apostelgeschichte geben ein lebendiges Bild von der Bedeutung und dem Sprachgebrauch des Wortes homothumadon. Die tiefgehende innere Beteiligung jedes einzelnen an einer Sache wird am besten in den Stellen deutlich, die nicht von der Gemeinde handeln.

Was die Gemeinde betrifft und ihre Einmütigkeit, so steht Apostelgeschichte 2,46.47 als Zusammenfassung eines Gemeindelebens nach dem Willen Gottes nach wie vor als leuchtendes Beispiel auch für uns da:

Apostelgeschichte 2,46 und 47:
Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen
und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Der Herr fügte die zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. Die Gläubigen an Christus Jesus wurden vom Herrn der Gemeinde hinzugetan. Er fügte immer wieder neu zur Gemeinde hinzu, und die Gemeinde nahm immer weiter zu.

Alle in der Gemeinde lebten jedoch zum Lobe und zur Ehre Gottes, um Gott zu preisen an ihrem Leibe. Das war, wie auch schon in Apostelgeschichte 2,47 zu erkennen, ein oder vielmehr das ganz wesentliche Merkmal ihres Lebenswandels und ihrer Einmütigkeit.

Die Gemeinde in ihrem ersten Stadium war täglich einmütig beieinander. Sie hatten ein Verlangen danach, beieinander zu sein, sie strebten danach und hatten ihr Augenmerk darauf gerichtet, gemeinsam Gott zu loben und zu preisen. Auf sich selbst oder nur jeden einzelnen Gläubigen unabhängig von den anderen hatten sie nicht ihren Blick gerichtet, sondern die Gemeinde hatte für sie eine herausragende Stellung.

Sie versammelten sich täglich im Tempel, d.h. auch, daß sie täglich eine solche Versammlung im Tempel in ihren Tagesablauf eingeplant hatten. Der Tempel war der Ort, wo man sich besonders zu den allgemeinen Gebetsstunden einfand. Die Gläubigen suchten offenbar die Gelegenheit, gemeinsam zu beten, gemeinsam Gott zu loben, gemeinsam Gott zu preisen – einmütig und wie mit einem Munde ihre Stimme zu Gott zu erheben.

Dieser Grundgedanke wird dann auch noch in der letzten Stelle im Neuen Testament, wo dieses Wort nochmals vorkommt, ebenfalls betont.

Römer 15,5 und 6:
Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Hier lesen wir nochmals in einfachen und eigentlich unmißverständlichen Worten, daß Gott loben das Ziel und die Absicht eines einträchtigen Sinnes ist. Eintracht untereinander ermöglicht ein einmütiges Loben Gottes. Welch ein großartiges Bild uns hier nochmals vor Augen geführt wird: Die Einmütigkeit kommt zum Ausdruck in dem gemeinsamen Lob Gottes, das - obwohl aus vielen Kehlen stammend -, dennoch „mit einem Munde“ geschehen kann.

Mögen auch wir in unserer Gemeinde und in den verschiedenen Gemeinschaften uns erneut auf diese großen Wahrheiten besinnen, und nicht neidisches Verhalten, neue Abspaltungen und böse Worte über andere in unserem Leben zu gestatten. Laßt uns unseren Blick auf Gott, unseren himmlischen Vater, erheben, denn er ist es ja doch, der uns geben kann und geben wird, daß wir einträchtig gesinnt sein können untereinander, Christus Jesus gemäß. Mögen wir auch erkennen, wie Gott uns gibt, einträchtig untereinander gesinnt zu sein. Mögen auch wir dann einmütig unsere Stimmen erheben und mit einem Munde Gott loben und ihm Ehre in der Gemeinde geben.

 

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