In manchen christlichen Kreisen und Gemeinden wird großes Gewicht darauf gelegt, dass es zwischen Männern und Frauen eine von Gott gewollte Unterordnung der Frau unter den Mann gäbe und diese darin Ausdruck findet, dass Frauen u.a. in Gemeindetreffen und beim Gebet ein Kopftuch bzw. eine Art Schleier tragen müssen. Leider ergibt sich dann des öfteren auch noch Streit und Zwietracht, und auch Absonderung von Gläubigen aus Gemeinschaften und Spaltungen sind dann das Ergebnis.

Ein Abschnitt aus 1- Korinther 11 steht dabei oft im Blickpunkt der Betrachtungen und muss als „Bibelbeweis“ herhalten, wenn ein Pfarrer, Prediger oder andere Gläubige auf diese Sache zu sprechen kommen. Es wird argumentiert, dass dort klar und deutlich eine Kopftuchpflicht für die Frau als Zeichen ihrer Unterordnung unter den Mann gelehrt wird. Der Punkt dabei scheint auch zu sein, dass solche Lehrer zumeist Männer sind und es ihnen im Hintergrund scheinbar mehr darum geht, allgemein zu etablieren, dass Männer quasi grundsätzlich Autorität über Frauen hätten, und das vor allem in einer Zusammenkunft bzw. Versammlung in der Gemeinde.

Nur, ist das tatsächlich der Fall? Oder werden dabei – wie leider auch bei anderen Themen – lediglich isolierte Schriftstellen teilweise und eventuell ohne Bezug zu ihrem unmittelbaren und erweiterten Kontext als „Schriftbeweis“ für eine gern gesehene und geliebte kirchliche Tradition hingestellt?

In dieser kleinen Studie soll eine nähere Betrachtung des Textes in dem oft genutzten Abschnitt aus 1. Korinther 11 Licht ins Geschehen bringen. Das gewonnene Verständnis bzw. die erwähnten Erkenntnisse sollten dann einem jeden Leser eine Hilfe sein, seine eigene Entscheidung zu treffen bzgl. dessen, was man als korrektes Verständnis und biblische Wahrheit akzeptieren und dann zur Grundlage für eigenen Glauben und Wandel nehmen will.

Der zu erörternde Abschnitt findet sich in 1. Korinther 11,2-16 (nachfolgender Wortlaut aus Lutherbibel 2017, soweit nicht anders vermerkt).

1. Korinther 11,2-16
2 Ich lobe euch, weil ihr in allen Stücken an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch gegeben habe.
3 Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi.
4 Ein jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt.
5 Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; denn es ist gerade so, als wäre sie geschoren.
6 Will sie sich nicht bedecken, so soll sie sich doch das Haar abschneiden lassen! Wenn es aber für die Frau eine Schande ist, dass sie das Haar abgeschnitten hat oder geschoren ist, soll sie sich bedecken.
7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz.
8 Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann.
9 Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.
10 Darum soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben um der Engel willen.
11 Doch im Herrn ist weder die Frau ohne den Mann noch der Mann ohne die Frau;
12 denn wie die Frau von dem Mann, so ist auch der Mann durch die Frau; aber alles von Gott.
13 Urteilt bei euch selbst: Steht es einer Frau wohl an, dass sie unbedeckt vor Gott betet?
14 Lehrt euch nicht die Natur selbst, dass es für einen Mann eine Unehre ist, wenn er langes Haar trägt,
15 aber für eine Frau eine Ehre, wenn sie langes Haar hat? Das Haar ist ihr als Schleier gegeben.
16 Ist aber jemand unter euch, der darüber streiten will, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben – und die Gemeinden Gottes auch nicht.

Worum geht es in dem, was Paulus hier darlegt? Ein bemerkenswerter Hinweis steht am Ende dieses Abschnitts in Vers 16: Die Abhandlung in diesem Abschnitt des Briefs handelt von einer Sitte, einem Brauch - und nicht von einer Glaubenslehre oder einem fürs Heil notwendigen Dogma. Zudem gab es offenbar diese Sitte nur in Korinth, nicht in anderen Gemeinden Gottes.

Nun aber einige Hinweise und Informationen der Reihe nach zu einzelnen Abschnitten.

1. Korinther 11,2-3
2 Ich lobe euch, weil ihr in allen Stücken an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch gegeben habe.
3 Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi.

Paulus beginnt mit einem lobenden Hinweis darauf, dass die Korinther seiner gedachten und an dem festhielten, was er sie gelehrt hatte bzgl. geistlichen Wandels, usw. Paulus war die Quelle, aus der die Korinther ihre geistliche Erkenntnis hatten.

Dann greift Paulus den Begriff „Haupt“ (im gr. das Wort κεφαλη [kephalee]) auf. Aus der Aussage in Vers 3 ist leicht erkennbar, dass „Haupt“ hier in diesem Kontext nicht in seiner wörtlichen Bedeutung sondern in einem übertragenen Sinne benutzt wird.

Der Begriff „Haupt“ im metaphorischen (also dem nicht wörtlichen) Sprachgebrauch zeigt die Quelle, den Ursprung von etwas an. Vom „Haupt“ geht Information, Anleitung, Kraft, usw. aus. Genau davon handelte ja gerade die Aussage mit dem Lob des Paulus für die Korinther davor, und alle diese geistliche Information stammte für Paulus von seiner Quelle („Haupt“) Christus. Weiter dann legt Paulus dar, wie die Frau vom Mann kam und so der Mann der Ursprung („Haupt“) der Frau war. Dann weist er auf Christus hin, der von Gott gesandt war und dessen Quelle („Haupt“) daher Gott war.

Danach dann wendet sich Paulus einer Sache - einer Sitte - zu, die in Korinth wohl ein gewichtiges Thema war, und er zeigt auf, dass dadurch eventuell Schande über die eigene Quelle („Haupt“) gebracht wurde, wo doch eigentlich Dankbarkeit und Lob angebracht gewesen wären.

1. Korinther 11,4-5
4 Ein jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt.
5 Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; denn es ist gerade so, als wäre sie geschoren.

Wie bereits kurz erwähnt, ging es hier um eine bestimmte Sitte oder einen Brauch in Korinth, nicht aber um etwas, was in allen Gemeinden zu finden war.

Viele Kommentatoren gehen davon aus, dass in Korinth Frauen eine spezielle Art von Schal benutzten, um ihr langes Haar hoch zu binden, da allgemein dort Frauen mit offenem langem Haar von Männern als Prostituierte angesehen wurden, Frauen mit hoch gebundenem Haar dagegen als züchtig und fromm galten.

Man muss hier auch beachten, wie der Begriff „Haupt“ in beiden Versen jeweils betont einmal im wörtlichen Sinne und dann im metaphorischen Sinne benutzt wird. Wenn ein Mann einen solchen Schal tragen würde (seinen Kopf so bedeckt hätte), hätte er sich wie eine Frau gekleidet, und als Gläubiger hätte er damit sein „Haupt“ Christus entehrt, da es im Gesetz schon Männern geboten war, sich nicht wie Frauen zu kleiden, womit er zudem dann eine Schande für Gott gewesen wäre.

Paulus sagte auch nicht, dass die christlichen Männer in Korinth sich wie fromme Frauen kleiden wollten, er weitet lediglich das Bild aus, indem er nun darauf zu sprechen kommt, wie sich denn gläubige Frauen kleiden.

Frauen in Korinth, die diesen Schal nicht trugen und damit ihr Haar gebunden hatten, erweckten bei anderen den Eindruck, als würden die gläubigen Männer Prostitution unterstützen. Damit würde die Frau nicht nur Schande über sich selbst bringen, sondern auch über die gläubigen Männer und letztlich auch über Christus, da etwa Ungläubige meinen könnten, es wäre der Wille Christi, dass Frauen sich wie Prostituierte kleiden und benehmen sollten.

1. Korinther 11,6-9
6 Will sie sich nicht bedecken, so soll sie sich doch das Haar abschneiden lassen! Wenn es aber für die Frau eine Schande ist, dass sie das Haar abgeschnitten hat oder geschoren ist, soll sie sich bedecken.
7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz.
8 Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.
9 Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.

Prostituierte, die erwischt wurden, wurden wohl oftmals kahl geschoren. Darauf spielt Paulus wohl an und betont, eine christliche Frau, die sich wie eine Prostituierte kleidet, würde in aller Augen wie eine Prostituiere sein, und es wäre, als habe man sie bei der Tat erwischt.

Paulus wollte natürlich nicht, dass Frauen ihre Köpfe kahl scheren und das Haar abschneiden, sondern betonte rhetorisch: „Willst du dich wie eine Prostituierte kleiden, dann sei eine ganz und scher dir den Kopf!“ Ihm war völlig klar, dass keine der Frauen dort so etwas machen wollte! Und sein Argument geht dann damit weiter, dass die Frauen, da ihnen klar war, dass das Haare abschneiden und kahl scheren eine Schande war, eben dann den Schal nutzen sollten, um ihr Haar hoch zu binden.

So wie Männer sich nicht mit einem solchen Schal wie Frauen kleiden sollten, sollten sich die Frauen auch fromm kleiden, und so auch keine Schande über die Gemeinde bringen. Man bringt entweder Ehre oder Schande über seine Quelle (sein „Haupt“).

1. Korinther 11,10-12
10 Darum soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben um der Engel willen.
11 Doch im Herrn ist weder die Frau ohne den Mann noch der Mann ohne die Frau;
12 denn wie die Frau von dem Mann, so ist auch der Mann durch die Frau; aber alles von Gott.

Hier bringt Paulus nun quasi ein Gegenargument zu seiner ursprünglichen Aussage ins Spiel. Er legt nun dar, dass die Frauen letztendlich die Entscheidung haben, denn ihr Kopf und ihre Haare gehören ja ihnen! Die Frau entscheidet. Der Ausdruck „Macht auf“ bedeutet eigentlich überall „Gewalt über“ oder „Autorität über“ und zeigt immer, dass die Autorität der Person zusteht, die sie hat. Hier hat die Frau die Autorität über ihren Kopf und ihr Handeln und ihre Entscheidungen. Männer können nicht allgemein Autorität oder Gewalt über Frauen beanspruchen.

Zudem stellt Paulus klar, dass es sowohl „Frau nicht ohne Mann“ (Hinweis, dass ursprünglich ja Frau vom Manne genommen war) als auch „Mann nicht ohne Frau“ (Hinweis, dass ja doch jeder Mann mittels der Frau in die Welt kommt) gibt, dass aber in Christus weder das eine noch das andere eine Rolle bzgl. Gewalt über oder Autorität über spielt, sondern jeder die Autorität über sich selbst hat.

Die Frauen hatten die Autorität darüber, was sie mit ihrem Kopf und ihren Haaren machen wollten. Sie mussten bei ihrer Entscheidung über das Tragen eines Schals oder nicht bedenken, was Gott in der Situation wohl von ihr erwartete. Wahr ist, dass sie den Schal nicht tragen mussten; sie mussten aber bedenken, was Gott erwartete.

1. Korinther 11,13
13 Urteilt bei euch selbst: Steht es einer Frau wohl an, dass sie unbedeckt vor Gott betet?

Letztlich ist es die Entscheidung der Frau, und nicht irgend einer anderen Person, die ihr fälschlich die Entscheidung vorenthalten oder erzwingen will.

1. Korinther 11,14-16
14 Lehrt euch nicht die Natur selbst, dass es für einen Mann eine Unehre ist, wenn er langes Haar trägt,
15 aber für eine Frau eine Ehre, wenn sie langes Haar hat? Das Haar ist ihr als Schleier gegeben.
16 Ist aber jemand unter euch, der darüber streiten will, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben – und die Gemeinden Gottes auch nicht.

Hier wird nun noch mehr deutlich, was Paulus ausgeführt hat.

Die Natur lehrt eigentlich nichts direkt bzgl. einem Mann und langem oder kurzem Haar. Aber im Kontext hier geht es darum, dass es unehrenhaft und eine Schande wäre, als Mann sein Haar nach Frauenart zu tragen.

Ähnlich ist es mit der Frau. Hier im Kontext der Situation in Korinth könnte eine Frau ihr langes Haar auch hochbinden oder entsprechend tragen, ohne dazu einen bestimmten Schal oder ein Kopftuch zu verwenden, falls ihr das besser gefällt. Es geht nicht um den Schal oder das Kopftuch, denn ihr eigenes Haar würde ja von Natur eigentlich schon als „natürlicher Schleier“ genügen, wenn es entsprechend hoch gebunden wäre. Das Problem hier war nicht kein Kopftuch zu tragen. Das Problem hier war, einfach ausgedrückt, das Haar nicht offen zu tragen, wodurch man dort in Korinth den Eindruck einer Prostituierten erwecken konnte!

Abschließend dann mahnt Paulus gerade die womöglich besonders eifrigen Männer in der Gemeinde, die über diese Angelegenheit unbedingt rechthaberisch streiten wollen. Ohne es auszusprechen, ist die Mahnung klar: Hört auf darüber zu streiten! Warum? Weil es sich hierbei nicht um eine Lehre oder das Heil entscheidende Sache handelt, sondern lediglich um eine Sitte, die zudem nur in Korinth eine gewisse Bedeutung hatte, aber ansonsten in anderen Gemeinden Gottes unbekannt war.

 

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