Vorwort

Wie zuvor verschiedentlich erwähnt, lesen wir in diesen Berichten im Buch der Offenbarung die Schilderungen von Visionen mit Symbolen und fiktiven Gestalten und Ereignissen, und nicht etwa Dokumentarberichte mit real im buchstäblichen Sinne existierenden und handelnden Personen oder Lebewesen. Der Inhalt mit den mittels der Visionen mitgeteilten Wahrheiten betrifft Ereignisse des Gerichts Gottes über das abtrünnige Israel und judaistische Priestertum, das sich damals schon "in naher Zeit" bzw. "in Kürze" ereignen sollte (vgl. Offb 1,1-3) und "in Kürze geschehen musste" (vgl. Offb. 22,6).

Offenbarung 12,18
18 Und er trat an den Strand des Meeres.

Nach den zwei Zeichen mit der Frau und dem Drachen, verlagert sich das von Johannes gesehene Geschehen in der Vision nun wiederum an den Strand des Meeres.

Erstes Tier - aus dem Meer

Offenbarung 13,1-2
1 Und ich sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern lästerliche Namen.
2 Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht.

Hier steigt nun das Tier ("wilde Tier" / "Biest") aus der Tiefe des Meeres auf, das zuvor einmal kurz erwähnt worden war (vgl. Offb 11,7). Wie nun deutlich wird, symbolisiert dieses Monster-Tier das Römische Reich. Das wird später noch klarer, wenn erläutert wird, dass die Kaiser die Häupter sind (vgl. Offb 17,9-10). Die zehn Hörner repräsentieren untergeordnete Herrscher von Reichen, die Rom untertan waren und keine eigene Macht oder Gewalt hatten.

Das Bild des Panthers bzw. Leoparden mit Bärenfüßen und Löwenrachen nimmt Bezug auf eine Weissagung Daniels (vgl. Dan 7.4-ff), in der dieser eine Abfolge von nacheinander mächtig werdenden Reichen erwähnt: Babylon, Medien-Persien, Griechen und schließlich Rom. Dass hier Eigenschaften in dem Panther "vereint" sind (Füße des Bären, Rachen des Löwen) betont, dass das Römische Reich Macht und Tun der erwähnten Reiche in sich vereinte. Dieses Monster "war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmte, und was übrigblieb, zertrat es mit seinen Füßen." (Dan 7,7).

Auch wird nun betont, dass "der Drache", das religiöse judaistische System korrupt war und aus eigenem Interesse Roms Wünsche und die Unterdrückung des jüdischen Volkes unterstützte und dafür die Schuld trug. Rom ließ die religiösen Führer agieren und stützte sie, und das gemeine Volk diente, folgte dem religiösen System und betete deren Götzen anstatt den wahren Gott, auch aus Furcht vor Strafe und Verfolgung durch Rom. In Judäa war es somit die judaistische Priesterschaft mit ihrem religiösen System (der "Drache"), welche Rom Kraft, Thron und Macht gab.

Offenbarung 13,3-8
3 Und ich sah eines seiner Häupter, als wäre es tödlich verwundet, und seine tödliche Wunde wurde heil. Und die ganze Erde wunderte sich über das Tier,
4 und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich und wer kann mit ihm kämpfen?
5 Und es wurde ihm ein Maul gegeben, zu reden große Dinge und Lästerungen, und ihm wurde Macht gegeben, es zu tun zweiundvierzig Monate lang.
6 Und es tat sein Maul auf zur Lästerung gegen Gott, zu lästern seinen Namen und seine Hütte und die im Himmel wohnen.
7 Und es wurde ihm gegeben, zu kämpfen mit den Heiligen und sie zu überwinden; und es wurde ihm gegeben Macht über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen.
8 Und alle, die auf Erden wohnen, werden ihn anbeten, alle, deren Namen nicht vom Anfang der Welt an geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes, das geschlachtet ist.

Eines der Häupter wurde tödlich verwundet, womit wohl Bezug genommen wird auf Nero und die prekäre Situation, als Rom einige Zeit bis Vespasian in Aufruhr war. Mit Vespasian und der neuen Linie von Kaisern war die Herrschaft nach Nero wieder heil geworden.

Das Römische Reich lästerte zunächst gegen Gott und sein Volk, verlangte nach und nach immer mehr, bis schließlich die Verehrung des Kaisers als Gott den Gipfel an Götzendienst bildete und am Ende führte Rom dann Krieg gegen die Juden und vernichtete den Tempel und Jerusalem und besiegelte so das Ende des biblischen Israel als Nation.

Offenbarung 13,9-10
9 Hat jemand Ohren, der höre!
10 Wenn jemand ins Gefängnis soll, dann wird er ins Gefängnis kommen; wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, dann wird er mit dem Schwert getötet. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen!

Diese Worte vermitteln den Gläubigen unter den vom Konflikt Betroffenen, dass ihr Leiden nicht vergeblich ist. Gott ist in Kontrolle und lässt diese Dinge über einen gewissen Zeitraum zu und gemäß seinem Willen wird es damit auch ein Ende haben. Sie sollen treu blieben, sich nicht an der Anbetung des Tieres (Kaiserkult) beteiligen, auch wenn scheinbar alle um sie herum dem Bann des Tieres verfallen sind.

Zweites Tier - aus dem Land

Offenbarung 13,11-12
11 Und ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache.
12 Und es übt alle Macht des ersten Tieres aus vor seinen Augen und es macht, dass die Erde und die darauf wohnen, das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde heil geworden war.

Dieses zweite Tier steigt auf aus dem Land ("Erde") und erscheint quasi als das, was wir mit "Wolf im Schafspelz" umschreiben ("Lamm ...redete wie ein Drache"). Das Tier ist offenbar ein Mensch, der in Palästina, im jüdischen Land, lebt und dort agiert, was auf den Statthalter der römischen Provinz Judäa hinweist, denn dieser hatte die Autorität des Römischen Reiches und nutzte diese für üble Machenschaften. Er propagierte das religiöse System (Drache), erweckte aber einen falschen harmlosen Anschein.

Offenbarung 13,13-18
13 Und es tut große Zeichen, sodass es auch Feuer vom Himmel auf die Erde fallen lässt vor den Augen der Menschen;
14 und es verführt, die auf Erden wohnen, durch die Zeichen, die zu tun vor den Augen des Tieres ihm Macht gegeben ist; und sagt denen, die auf Erden wohnen, dass sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.
15 Und es wurde ihm gegeben, Geist zu verleihen dem Bild des Tieres, damit das Bild des Tieres reden und machen könne, dass alle, die das Bild des Tieres nicht anbeteten, getötet würden.
16 Und es macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn
17 und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.
18 Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.

Er wird beschrieben mit dem Bild falscher Propheten, die vorgaben, dem Volk die Wahrheit zu bringen, letztlich aber Zerstörung und Untergang brachten. Dank seines politischen Einflusses verleitete er das Volk zum Kaiserkult. Wer nicht folgte, der war Verfolgungen ausgesetzt, wobei das religiöse judaistische System mit dem Repräsentanten Roms zusammenarbeitete. Alle Nachfolger des judaistischen Systems und seiner Götzendienst Rituale tragen hier nun in offener Ablehnung des wahren Gottes symbolisch "ein Zeichen", ohne das kein normales Leben in Judäa mehr möglich war. Ohne offene Bekundung zum Götzendienst (den natürlich das verführte und gezwungene Volk in seiner Blindheit als "Gottesdienst" wägte) wurde man verfolgt.

Was hat es nun mit diesem Zeichen auf sich und "dem Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens"?

Viele Ausleger vermuten, dass der römische Kaiser dieses zweite Tier ist. Insbesondere steht "Kaiser Nero" hier als Kandidat im Vordergrund, weil die Addition der numerischen Werte der Buchstaben die Zahl 666 ergibt, und laut Vers 18 dies Zahl 666 die Zahl des Tieres ist. Diese Vorstellung scheint historisch weit zurückzureichen. Neros brutales Wesen und seine Verfolgung der Christen scheinen auch zum Bild des Tieres zu passen, wie es hier beschrieben wird.

Allerdings passt ein im Bericht in Offb 13 über die zwei Tiere betonter Punkt nicht zu einem römischen Kaiser als zweites Tier: Die Kaiser (und auch Nero) kamen nicht "aus dem Land", sondern "aus dem Meer"! Auch ist zweifelhaft, ob die Zahl des Namens etwas mit der Addition von numerischen Werten von Buchstaben zu tun hat, da insgesamt wohl der Name etwas mit der hebräischen Bibel zu tun hat. So stellt sich die Frage: Gibt es vielleicht eine andere Person, die aus dem Land Israel stammte bzw. dort lebte, und für die es einen Bezug zu der Zahl 666 gibt und auf die diese Zahl 666 hinweist?

Frank Daniels, dessen Studie viele Einsichten und Hinweise enthalten, mit denen mein Verständnis übereinstimmt, erwähnt die Möglichkeit, dass sich 666 auf den jährlichen Tribut beziehen könnte, den König Salomo, der letzte König über das vereinte Reich Israel, einnahm (vgl.1Kö 10,14 bzw. 2Chr 9,13). Da wird genau diese Zahl für das jährlich eingenommene Gold erwähnt, obwohl Salomo ja auch noch anderes Einkommen hatte. Salomo gab dieses Gold sehr eigennützig und zur Absicherung seiner politischen Macht und für viel Prunk und zur Befriedigung seines Stolzes, wobei es fürs Volk nichts gab.

Solcher Art war auch die Situation in Judäa während der angekündigten Katastrophe mit dem jüdischen Krieg. Mir scheint aufgrund der erwähnten Punkte, dass es sich hier bei dem zweiten Tier mit der Zahl 666 um die politische Führung im jüdischen Land, in Judäa, handelt, die zusammen mit den religiösen Führern wesentlich zu der schlimmen Situation in dem damals kurz bevorstehenden Konflikt herrschte.

 

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