Einleitung

Ein Vers in Apostelgeschichte 20 wird des öfteren von Vertretern der Trinitätslehre als Beweis dafür angeführt, dass Jesus Gott ist. Es geht hier um eine Aussage des Apostels Paulus, in welcher er Bezug nimmt auf die Gemeinde, welche durch Blut erkauft wurde, und diese Aussage wird dann aus den gängigen Bibelübersetzungen zitiert, wo es heißt:

Apg 20,28
So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.

Dieser Wortlaut mit der Erwähnung von Gemeinde Gottes und dann sein eigenes Blut findet sich in vielen heutigen Übersetzungen. Es wird dann von Trinitariern behauptet, hier sei die Rede von Jesu Blut, welches Paulus hier als sein [Gottes] eigenes Blut bezeichnet. Trinitarier sagen dann, dass Jesus dieser Gott sein muss, da ja nur Jesus von den 3 Personen der trinitarischen Gottheit Blut hatte. Dass diese Behauptung und die Rede von "Gottes eigenem Blut" aber zu anderen klaren Aussagen der Schrift in Widerspruch steht, das scheint den Trinitariern gar nicht aufzufallen bzw. es wird von ihnen einfach ignoriert. Auch beziehen sie in ihren Überlegungen scheinbar nicht ein, dass diese Stelle in älteren Bibelübersetzungen und auch in alten griechischen Handschriften mit teilweise unterschiedlichem Wortlaut wiedergegeben wird.

In der nachfolgenden Studie will ich auf diese Punkte etwas detaillierter eingehen und die vorhandenen und bekannten textlichen Fakten aufzeigen und dann mögliche Übersetzungen abwägen, um so dem Leser eine Gelegenheit zu geben, für sich selbst zu bestimmen, welcher Wortlaut der ursprüngliche gewesen sein kann und was der Apostel Paulus eigentlich gesagt hat.

Unterschiede im Wortlaut von Apg 20,28

Wenn man sich mit diesem Vers in Apg 20 etwas detaillierter auseinandersetzt, fällt einem auf, dass es unterschiedliche Übersetzungen gibt bzw. gab, und dass diese genau die zwei Ausdrücke betreffen, welche von den Trinitariern in einer der Lesarten als Argument in Anspruch genommen werden. Viele überÜsetzungen machen einen Unterschied zwischen "Gott" und "seinem Sohn", von dessen Blut dann die Rede ist.

Bibelübersetzungen Auswahl

Hier folgt eine Auswahl verschiedener Bibelübersetzungen, aus welcher man diese unterschiedliche Handhabung des Wortlauts erkennen kann.

Apg 20,28 (Luther 1984)
So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.

Apg 20,28 (American Standard Version)
Take heed unto yourselves, and to all the flock, in which the Holy Spirit hath made you bishops, to feed the church of the Lord which he purchased with his own blood.

Apg 20,28 (Gute Nachricht Bibel)
Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, die der Heilige Geist eurer Aufsicht und Leitung anvertraut hat! Seid treue Hirten der Gemeinde, die Gott durch das Blut seines eigenen Sohnes für sich erworben hat!

Apg 20,28 (Schlachter Bibel 1951)
So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu weiden, welche er durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat!

Apg 20,28 (unrev. Elberfelder)
Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, welche er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.

Die Unterschiede liegen einerseits darin, dass der Begriff "Gemeinde Gottes" auch mit "Gemeinde des Herrn" (vgl. "church of the Lord" in der ASV) übersetzt wird, andererseits dann der Ausdruck "sein eigenes Blut" auch mit "Blut seines eigenen Sohnes" und "Blut seines Eigenen" wiedergegeben wird. Die Bedeutung der Aussage ist schon eine ganz andere!

Wie kommt es zu diesen Unterschieden in der Übersetzung? Die Unterschiede in den jeweiligen Bibelübersetzungen sind darauf zurückzuführen, dass der Text den jeweils unterschiedlichen Wortlaut der benutzten griechischen Handschriften berücksichtigt.

Alte Handschriften und Kirchenväter

In den vorhandenen alten griechischen Handschriften des eigentlichen Bibeltexts, finden sich die unterschiedlichen Lesarten, die uns auch in den übersetzungen begegnen.

In manchen MSS findet sich statt "Gemeinde Gottes" der Ausdruck "Gemeinde des Herrn". Der Wortlaut "Gemeinde des Herrn" ergäbe selbstverständlich mehr Sinn als "Gemeinde Gottes", wenn der zweite Ausdruck "mit seinem eigenen Blut" die ursprüngliche Lesart wäre. Der Herr Jesus Christus hatte Blut, und er hat sein Blut vergossen zur Erlösung derer, die an ihn glauben, d.h. aller, die seiner Gemeinde angehören.

Nun ist aber der zweite Ausdruck "sein eigenes Blut" eigentlich nicht, was in den alten MSS steht. Dort steht vielmehr - wörtlich übersetzt - "durch das Blut des [seines] Eigenen". Genau diese Übersetzung findet sich auch in der unrev. Elberfelder Bibel, die ja für ihre Treue und die große Nähe zum Wortlaut des griechischen Texts bekannt ist. Weiter unten werden wir diesen Wortlaut noch weiter betrachten und auch erkunden, wie es zu der häufiger anzutreffenden Übersetzungen "durch das Blut seines eigenen Sohnes" kommt.

Die frühesten erhaltenen biblischen Handschriften, welche diesen Abschnitt aus Apg 20 enthalten, stammen aus dem 3./4. Jahrhundert n.Chr., und wie bereits erwähnt, haben einige an dieser Stelle Gemeinde "Gottes", andere dagegen Gemeinde "des Herrn". Die Schriften einiger Kirchenväter stellen weitere Quellen dar, insofern als in ihnen aus biblischen Handschriften, die zur Zeit der Niederschrift dem jeweiligen Autor zur Verfügung standen, zitiert wird und wir so - zwar nur aus zweiter Hand - erfahren können, welcher Wortlaut in jener Handschrift des biblischen Textes vorlag.

Irenaeus schrieb seine Schrift "Gegen Häresien" ca. 180-185 n.Chr., und in dieser Schrift erwähnt er diesen Vers wie folgt: "Habt daher acht auf euch selbst und auf die ganze Herde über welche euch der heilige Geist als Bischöfe gesetzt hat, die Gemeinde des Herrn zu hüten, die er für sich selbst durch sein eigenes Blut erworben hat." (Buch III, 14)

Irenaeus zitierte offensichtlich aus einer frühen biblischen Handschrift, in der in diesem Vers nicht "Gemeinde Gottes", sondern "Gemeinde des Herrn" stand. Wenn wir berücksichtigen, dass er in seiner Schrift gegen Häresien besonders darauf bedacht war, genau und korrekt bzgl. des biblischen Textes zu sein, um Irrlehren jener Zeit zu widerlegen, dann scheint es klar, dass frühe Handschriften der Apostelgeschichte den Wortlaut "Gemeinde des Herrn" enthielten.

Schon aufgrund dieser Situation, dass es also frühe Handschriften gab, die gar nicht den Wortlaut "Gemeinde Gottes" haben und somit auch nicht von "Gottes Blut" reden, ist eigentlich Beweis genug, um die trinitarische Argumentation zu wiederlegen, dass Paulus mit dieser Aussage von "Gemeinde Gottes" und "durch sein eigenes Blut" Jesus als Gott bezeichnet.

Hat "Gott" überhaupt "Blut"?

Von "Gottes eigenem Blut" zu sprechen, klingt bereits äußerst merkwürdig für jeden, der diesen Gedanken überhaupt einmal erwägt. Es ist eigentlich jedem klar, dass Gott doch gar kein Blut hat, da er ja nicht ein Mensch aus "Fleisch und Blut" ist, sondern Gott ist GEIST! Geist hat aber kein Blut!

Nun versuchen Trinitarier, dieses Dilemma zu beheben, indem sie davon reden, Jesus habe nicht in seiner Göttlichkeit, sondern in seiner Menschlichkeit Blut gehabt. Damit aber erwecken sie den Eindruck, Jesus sei gar nicht immer wirklich "Gott" gewesen, sondern habe sich von Gott in einen Menschen und dann später wieder in Gott quasi verwandelt. Das aber ist nicht, was eigentlich in den trinitarischen Glaubensbekenntnissen gesagt wird.

Da dieses Blut ja zur Erlösung für viele vergossen wurde, ergibt sich natürlich noch ein weiteres unlösbares Problem für die Trinitarier: Wenn es hier um Gottes eigenes Blut geht, so ist Gott selbst auch gestorben. Ist das aber, was Trinitarier glauben?

Es ist wichtig, dass wir den genauen Wortlaut für diesen Ausdruck aus dem Griechischen beachten und dann anhand des biblischen Kontexts und anderer Stellen, wo der gleiche oder ein ähnlicher Ausdruck benutzt wurden, überlegen, was hier gemeint sein kann.

Besonders wichtig ist, dass wir die Verwendung des griechischen Wortes für "Eigenen" bzw. "Seinen" untersuchen und beachten, die dieses Wort in dieser grammatikalischen Konstruktion verwendet wird und was damit jeweils gemeint ist. Ergibt sich aus diesen sprachlichen Überlegungen die legitime Möglichkeit, den Ausdruck mit "durch das Blut seines Sohnes" anstatt "durch sein Blut" zu übersetzen? Trinitarier argumentieren, dass die Übersetzung "durch das Blut seines Sohnes" nicht möglich ist, weil im griechischen Text das Wort für "Sohn" nicht vorkommt. Und doch übersetzen ja eine Reihe von Bibeln genau so, und das obwohl die Übersetzer selbst an die Trinität glauben.

Um die Frage zu beantworten, ob es legitim und korrekt ist, das Wort "Sohn" in der Übersetzung als impliziert einzufügen, kann man verschiedene andere Stellen mit der gleichen grammatikalischen Konstruktion heranziehen und sehen, welche Möglichkeiten der korrekten Übersetzung dort zutreffen. Außerdem sollte man beachten, was die Kenner des biblischen Koine Griechisch und Sprachwissenschaftler zu dieser Verwendung des Wortes idios in solchen Konstruktionen zu sagen haben.

J.H. Moulton schreibt in seiner Grammatik des NT Griechisch hierzu folgendes:

"... etwas sollte gesagt werden bzgl. der Verwendung von ho idios wenn kein Substantiv mit angegeben ist. Solches findet sich in Joh 1,11; 13,1; Apg 4,23; 24,23. In den Papyri Schriften kommt solches vor, um eine innige Beziehung auszudrücken, fast in Gestalt eines Kosenamens für nahe Verwandte, z.B. ho deina to idio khairein. ... Dies sei als mögliche Ermutigung für diejenigen, welche Apg 20,28 übersetzen würden mit 'das Blut von einem, der sein Eigener war'." (vgl. Grammar of New Testament Greek, vol.1, Prologomena, 2nd edition, 1906, p.90).

Im Neuen Testament wird idios ("seiner" / "eigener") an einigen Stellen benutzt, die ich kurz hier erwähnen möchte. Wir sehen in jedem Fall, dass eine bestimmte Person oder Sache zwar nicht konkret erwähnt, dafür aber impliziert ist, und dass die Bedeutung der gesamten Aussage die Einbeziehung des implizierten Substantivs verlangt.

VersWortlaut im TextImplizierte Bedeutung
Joh 1,11Er kam in sein Eigentum [zu den Seinen]; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Er kam zu seinem eigenen Volk; und sein eigenes Volk nahm ihn nicht auf.
Joh 13,1... wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. ... wie er seine Jünger geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Joh 19,27Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich [nahm sie der Jünger zu seinem]. Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu seinem Hause [zu sich].
Apg 4,23Und als man sie hatte gehen lassen, kamen sie zu den Ihren ... Und als man sie hatte gehen lassen, kamen sie zu ihren christlichen Brüdern...
Apg 21,6... jene aber wandten sich wieder heimwärts [zu den Ihren]. ... jene aber wandten sich wieder zu ihren Familien / Wohnorten
Apg 24,23... und niemandem von den Seinen zu wehren, ihm zu dienen. ... und niemandem von seinen Freunden/Brüdern zu wehren, ihm zu dienen.

Wir erkennen, dass im Griechischen jeweils eine Idee mit dem "seinen, ihren, eigenen" verbunden ist, welche zum Teil auch in unserer deutschen fast wörtlichen Übersetzung mitschwingt und erkennbar ist. Es ist aus dem Kontext ersichtlich, um wen es z.B. bei "den Seinen" geht, ob dies "seine Freunde", "seine Familie", usw. sind. Es ist offensichtlich, dass in den biblischen Schriften das Wort idios ("seiner", "eigener") auch ohne hinzugefügtes Substantiv benutzt wird, wobei dieses Substantiv impliziert ist und in der Übersetzung sehr wohl hinzugefügt werden kann, besonders dann, wenn die Zielsprache der Übersetzung unter Umständen ohne eine solche Hinzufügung unverständlich bliebe.

Wir sehen weiterhin aus diesen wenigen Beispielen auch, dass "die Seinen" sich nicht auf irgendwelche Fremde beziehen, sondern es sich in jedem Falle um Leute in einer engeren Beziehung handelt. "Die Seinen" oder "der Eigene" usw. sind Begriffe, in denen diese fast wie mit einem Kosenamen als innig verbundene Personen angesprochen werden. "Die Seinen" bzw. "der/die Eigene(n)" sind keine "Fremden", sondern sie stehen in einer Beziehung zu der Person.

Gott selbst hat kein Blut, Gott ist Geist. Gottes eingeborener Sohn, Jesus, ist derjenige, dessen Blut vergossen wurde und als Sühne zur Erlösung zu dienen, und wir alle sind teuer erkauft durch das Blut des Sohnes Gottes. Wenn nun im griechischen Text wörtlich steht "... durch das Blut seines Eigenen", wie auch die unrev. Elberfelder Bibel übersetzt, dann ist offensichtlich, dass mit "seinem Eigenen" niemand anders als "sein eigener Sohn" gemeint ist. Diese Wahrheit wird selbst von Gelehrten mit trinitarischem Hintergrund bestätigt und kommt in vielen Bibelübersetzungen zum Ausdruck.

Schlussfolgerung

Der Vers in Apostelgeschichte 20,28 birgt mehrere textliche Schwierigkeiten, da zwei wichtige Ausdrücke in unterschiedlichem Wortlaut in den griechischen Handschriften überliefert sind, die sich dann auch unterschiedlich in den Übersetzungen niederschlagen. Als Beweis für die trinitarische Behauptung, Lukas bezeichne hier Jesus als Gott, ist diese Stelle ungeeignet und eine solche Behauptung ist auf der Grundlage dieser Schriftstelle in jedem Falle unhaltbar.

Zum einen kann es durchaus sein, dass der ursprüngliche Text nicht "Gemeinde GOTTES" hat, sondern von der "Gemeinde DES HERRN" spricht (vgl. Irenaeus Zitat), womit ein Argument für die Trinitätslehre völlig entfällt, weil "Gott" gar nicht erwähnt wird. Zum andern hat der griechische Text, selbst wenn "Gemeinde Gottes" der originale Wortlaut ist, dann in dem Ausdruck "... durch das Blut seines Eigenen" einen eindeutigen Hinweis darauf, dass es hier nicht um "das Blut Gottes" geht, sondern um das Blut eines anderen, nämlich das Blut von Gottes eigenem Sohn! Die Idee von "Gottes eigenem Blut" ist der Schrift völlig fremd, da Gott gemäß dem Zeugnis der Bibel kein Wesen von Fleisch und Blut ist! Gott hat gar kein Blut.

Das Argument der Trinitarier, aus diesem Vers gehe die Gottheit Jesu hervor, weil er hier als "Gott" bezeichnet wird, entbehrt jeglicher Grundlage, sowohl in Sachen Vernunft als auch im Hinblick auf den rein textlichen Sachverhalt.

Apg 20,28 (unrev. Elberfelder)
Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, welche er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen.

Apg 20,28 (Schlachter Bibel 1951)
So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu weiden, welche er durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat!

 

Übersicht Artikel